Erfreuliche Entwicklungen in der internationalen Alkoholpolitik
14. Juni 2024
Entwicklungen in 20 Jahren internationale Alkoholpolitik
Am 31. Mai durfte ich an der Movendi-Veranstaltung „Charting Alcohol Policy Progress Around the World“ anlässlich der 77. Weltgesundheitsheitsorganisations-Mitgliederversammlung teilnehmen. Obwohl die Verantwortlichen von Movendi von einer verlorenen Dekade in der internationalen Alkoholpolitik sprechen, war ich sehr positiv überrascht von den Fortschritten, die ich nach 20 Jahren ohne internationale Fachkontakte erleben durfte:
Alkoholpolitik wird global vorangetrieben
Als ich vor 20 Jahren im Auftrag des BAGs die Schweizer Delegation an die Bridging the GAP Konferenz in Warschau leitete, war Alkoholpolitik ein Thema, das «alte, weisse» Männer bewirtschaftet haben. Das Podium an der Tagung in Genf war dagegen mehrheitlich von Frauen besetzt und wurde von einer Frau moderiert. Alkoholpolitik wird heute in Asien und Afrika sehr stark vorangebracht und entsprechende neuentwickelte Massnahmen kommen auch von dort. Europäische Länder sind dagegen bemüht, den erreichten Status bezüglich der Gesetzgebung und den Massnahmen zur Volksgesundheit gegen die Einflüsse der Alkoholindustrie zu verteidigen.
Jeglicher Alkoholkonsum stellt ein gesundheitliches Risiko dar
Die Fehlinformationen bezüglich einer gesundheitsförderlichen Wirkung von «geringfügigen» Mengen Alkohol (die sogenannte J-Kurve) gehören definitiv der Vergangenheit an. In der Klassifikation von risikoreichem Alkoholkonsum wird nicht mehr zwischen chronischem, situativ-übermässigen oder situations-inadäquatem Konsum unterschieden: Zumindest in der internationalen Fachwelt ist die Botschaft klar: Jeglicher Alkoholkonsum stellt für die Konsumierenden aber auch das Umfeld ein Risiko dar. Nun gilt es, diese Erkenntnis auch in der Kommunikation der offiziellen Stellen der einzelnen Länder zu verankern.
Der gesetzliche Rahmen ist wichtig, entscheidend ist jedoch das soziale Umfeld
Beeindruckend war für mich die zweite Paneldiskussion, als der isländische Vertreter von planet youth von seinen Erfahrungen bezüglich der Erfolge in der Prävention des Substanzmissbrauchs bei Jugendlichen erzählte. In den 90er hatte Island trotz eines fortschrittlichen gesetzlichen Rahmens einen Anteil von über 30% von Jugendlichen, die missbräuchlich psychoaktive Substanzen konsumierten. Heute sind es deutlich unter 10%. Erreicht hat Island dies durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von allen relevanten Stellen und der Schaffung von entsprechenden Angeboten für Jugendliche. Ich denke, dies könnten wegweisende Erfahrungen und Erkenntnisse auch für die Schweiz sein.
Bildung bleibt entscheidend für freie, selbstbestimmte Menschen
Die sozialen Medien prägen immer stärker die Verhaltensweisen und Werte von jungen Menschen. Die Alkohol- und Tabakindustrie gibt sehr viel Geld für Marketingmassnahmen in den sozialen Medien aus, die sich ausschliesslich an Kinder und Jugendliche richten. Deshalb sehen wir älteren Menschen immer weniger Werbung für Alkohol- und Tabakprodukte. Diese Entwicklung muss dokumentiert und mit internationalen Netzwerken erforscht werden. Hier können Ausbildungsstätten im Rahmen von Projektarbeiten einen spannenden und wichtigen Beitrag leisten. Da Movendi bereits eine APP hat, mit der man das Anzeigen solcher Werbung dokumentieren kann, liessen sich entsprechende Projekte leicht verwirklichen. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, mit meinen Studierenden im nächsten Semester dieses Thema einmal anzugehen.